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Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften.

Vierter Theil.

Berlin, 1785.

In der Vossischen Buchhandlung.

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Hier

Vorbericht.

ier ist der lehte Theil der vermischten Schriften meines Bruders. Er enthält die Briefe, welche sich im zweyten Theile seiner kleinen Schriften befinden. Das Vademecum, so er besonders für den feelis gen Pastor Lange drucken ließ, und dessen Antwort nebst dem Schreiben von dem seeligen Professor Nikolai habe ich darum mite eingerückt, weil sonst von dem bekannten Zwiste, zwischen meinem Bruder und Pastor Langen kein richtiges Urtheil gefällt werden kann, und man wohl weiß, wie dergleichen einzelne Blåtter vergriffen werden. Dafür habe ich aber diejenigen Briefe, worinn er eine Probe von einem Trauerspiele Henzi giebt, weggelassen, weil sie sich besser in seinen theatralischen Nachlaß schicken.

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Was in diesen Briefen am meisten auffällig wurde, ist meines Bruders Urtheil über Langens Ueberseßung der Horazischen Oden, über Klopstocks Meßiade und über Jöchers Gelehrten - Lexicon. Wie das aber nicht allezeit zum Nachtheil des Schriftstel lers ist, so war es auch hier. Die Partheis lichkeit gegen ihn ging zwar sehr weit, und wie gewöhnlich auf Allotria. Er wåre zu jung, zu naseweiß, sagten die feisten Ge= Lahrheitsherren; håtte nur den Zweifler Bayle und den Spdtter Voltaire studiert, die damals schrecklichere Popanze wären, als jest. Seine Dürftigkeit und Standlosig keit muste sogar herhalten, ob er gleich Magister aller sieben freyen Künste zu Wittenberg geworden. Man hielt ihn höchstens für einen Wigling, der nie solide werden würde. Sollte das so viel heißen als reich, fo hätte es Freund und Feind so ziemlich ge

troffen.

treffen. Ein Wunder wåre es aber gewesen, wenn sich nicht auch Partheilichkeit für ihn gefunden, die vielleicht grade seine Fehler, die bey dem Genie weit vorstechender find, als bey dem simpelsten Kopfe, zum Vorwurf ihrer Bewunderung machte. Denn es scheint das allgemeine Schicksal der Gelehrten zu seyn, mehr dem Zufalle oder gar ihren Schwachheiten, als ihrem wahren Verdienste zu danken zu haben. Ja neun Theile von der Welt zu Feinden haben, das heißt in dem Munde solcher seyn, die uns lieber von der schlechten als guten Seite bekannt wissen wollen, und uns so wenig ein Glück gönnen, als wir sie deffen würdig halten; befördert oft mehr als der zehnte Theil Freunde, die wir haben, die von unsern Fehlern gern ein tiefes Stillschweigen beobachten, und von unsern Vorzügen so bescheiden als möglich reden, um nur allem Ver

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