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Advent 1823 über die gewöhnliche Epiftel gehalten hat. Die Worte des Textes: Die Nacht ift vergangen, der Tag aber herbeykommen, find zugleich das Thema, (was wir nicht gut heifsen können, weil diefe Worte blofs bildlich find, und einerley doppelt ausdrücken. In einem Briefe konnte der Apoftel dergleichen fich erlauben) und zwar werden 1) diefe Worte nach ihrem Sinn und ihrer Wahrheit, 2) nach ihrer Bedeutung für Hn. E. Zeitgenoffen erwogen. Der erfte Theil ist sehr flüchtig hingeworfen; der zweyte defto intereffanter und die Hauptfache. In ihm entfaltet fich viel Beredfamkeit, jene, die aus dem pectus kommt, nicht aus der erlernten Kunft, obgleich Hr. E. nach S. 156 kein Redner feyn will. Man höre einige Stellen. Nachdem S. 90 die Unentfchiedenheit als ein Werk der Finfternifs in den jetzt lebenden Menschen beschrieben worden' ift, wird fo fortgefahren: Wie mufs auch ich, (denn heute darf wohl ein Prediger auch von fich reden,) wenn ich bedenke, mit welchem Heldenmuthe ich hätte an diefer Stelle ftehen, wie ritterlich für meinen Herrn und für das Wohl meiner Brüder eifern fol len, wie fehr mich demüthigen vor meinem Gott über die Unentschiedenheit, die leider auch mich noch behinderte, mit rückfichtlofer Wahrheitsliebe zu mahnen, zu warnen, zu fchrecken, und ob ich darüber von den Leuten für einen Narren gehalten würde um Chrifti willen. Darum bitte ich euch, o lieben

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Zuh., ich bitte euch, eingedenk der vielen Sünden der Unentschiedenheit, die auch auf einer évang. Kanzel feit drey Jahrhunderten begangen feyn können, dafs ihr euch geneigt finden laffet, für mich zunächst zu beten (ich bedarf eurer Fürbitte fehr!) dafs ich vor folchen Sünden hinfort behütet werde" u. f. f. S. 94. ,,Ach dafs wir alle an uns erführen die Kraft des Heilandes, und verkleidet würden in fein Bild. Und nun wollen wir beten, denn wie könnten wir eine heil. Stätte verlassen, an welcher das Wort des Ev. 300 Jahre verkündigt worden, ohne zu beten! Aber was follen beten? In folcher Verlegenhelt danken wir dem Vater unHerrn, dafs er uns zu beten gelehrt hat' fer" u. f. f. Aufserdem; dafs fchon unter der Predigt Anmerkungen stehen, folgen ihr S. 97 doch noch III) befondere Anmerkungen, die fich über gar mancherley, z. B. über den Werth des A. T., den Glauben der Apostel, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, über Bibelgebrauch, den Genufs der Vergnügungen und dgl. verbreiten, und oft noch falbungsreicher find, als die Predigt felbft. Sie ftehen mit dem Texte nicht immer in einem fichtbaren Zusammenhange, und verrathen eine eilende Hand. So ift S. 99 das Datum des Briefes, und woher er genommen worden, nicht angegeben; auf der folg. Seite ist nur das letzte geschehen, obgleich hier das erfte weit wichtiger war. Einige find blofse Bibelcitata, z. B. die neunte. Von dem Geift und der Sprache diefer Anmerkungen wird folgende Stelle zeugen:,,Wie in einem Thautropfen fich

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des Himmels Herrlichkeit abfpiegelt, und ift doch nur ein Thautropfen, alfo vermag in dem Geifte des Menfchen Gottes unfichtbares Wefen, feine ew. Kraft und Gottheit fich bis zum vernünftigen Bewufstleyn abzufpiegeln und mehr und mehr zu verklären, ohne willkührliche Grenzen, zumal wir göttlichen Gefchlechts find." (S. 127.) Rec. glaubt, aber nicht zu feiner Freude, dafs diefer Verfuch des Hn. E., feine Predigt mit weitläuftigen Excurfen zu begleiten, in vnferer schreibfeligen Zeit bald Nachahmer finden werde. Hierauf folgt IV) abermals eine Predigt S. 170 über Phil. 1, 9. 10, die lebendige Gotteserkenntnifs betreffend. Sie hat zwar einzelne gute Gedanken und Bemerkungen, aber es fehlt ihr noch viel, ehe fie ein Ganzes werden kann. Was von der Liebe, als Führerin zur leb. Gotteserkenntnifs gefagt wird, ift uns ziemlich unklar, hie und da auch ganz unverständlich erfchienen. Was aber S. 179 von dem Gefühle, als einer fehr mangelhaften Quelle der Gotteserkenntnifs, gefagt wird, dünkt uns, ungeachtet wir eben Benj. Con-ftant's Werk: Stant's Werk: la Religion, lefen, durchaus in der Erfahrung gegründet. Sind uns doch mehr als einmal Menfchen vorgekommen, die unverkennbar ein tiefes Gefühl befassen, und es in manchen warmen religiöfen Dichtungen ausfprachen, die aber die Freunde alles Schlechten und aller Schlechten waren! Den Schlufs macht V) abermals 'eine Predigt S. 183, die fich aber für eine Abhandlung ausgeben will, weil fie in der Missionsgesellschaft zu Königsberg gefprochen ift. Es ift das auf dem Titelblatte bemerkte Wort. Hier erklärt fich Hr. E. befonders gegen die Zusam menfetzung des Wortes Bekehrungsfucht, jedoch mehr witzig, als fich an diefem Orte geziemte. Wir können uns nicht verlagen, folgende Stelle S. 198 unfern Lefern zu eigener Beurtheilung mitzutheilen:,,Profelyten machen ift dem Chriften die allergreulichte Sache, und er kann nichts weniger leiden als Anhänger, denn diefe hangen (!), und man müfste fie tragen (!) als eine todte Laft wer follte dazu Luft haben? wer bekehrungsfüchtig seyn? Es ift aber die Bekehrung der Brüder auch defswegen keine Sucht, weil Bekehren nicht Menfchenwerk ift. Ich bin davon fo lebendig und fchon fehr frühe überzeugt worden, dafs es mir von jeher beynahe unmöglich war, jenen Vers des theueren Gellert: Dort ruft, o möchte Gott es geben, vielleicht auch mir ein Sel'ger zu u. L. f. mit der Gemeinde mitzufingen." Wir zweifeln nicht,

dafs das Buch befonders wegen feiner kräftigen Sprache, und des frommen Geiftes, der es durchdringt, viele Lefer finden, und feiner guten Sache, der Liebe für die evang. Kirche, guten Vorfchub thun werde, und wünschten, dafs der Vf., der nach der Vorrede 18 Jahre im Predigtamt ist, noch lange fegensvoll wirken möge. Χμρ.

JE NA IS CHE

ALLGEMEINE LITERATUR - ZEITUNG.

JANUAR 1 8 2 5.

JURISPRUDÈ NZ.

WEIMAR, im Verlag des Landes - Industrie-Comtoirs : Kirchenrechtliche Erörterungen mit befonderer Beziehung auf das Grossherzogthum Sachfen-Weimar und die neuesten Verhältnisse des Landesherrn gegen die römische Curie, von Alexander Müller, Grofsh. Sachf. Weimarifchem Regierungsrath.' Mit dem Vorspruch von Göthe: Glaube dem Leben! Es lehrt beffer, als Redner und Buch. 1fte Sammlung. 1823. XVI und 184 S. 8. (14 gr.)

Kein Zeitalter im ganzen Laufe der deutschen Geschich

tu könnte dem Studium des Kirchenrechts erfprieslicher und eben dadurch einladender zu demfelben feyn, als gerade dasjenige, in welchem wir leben. Geschichte,

Philofophie und ächte Politik, die Tochter der Letzten, bieten fich in diefer Hinficht wetteifernd die Hände. Vernachläffigung und felbft auch nur blofs handwerksmässige Betreibung diefes Erkenntnifszweiges führt entweder zn gefetzlofer Willkühr, oder, wenn späterhin in vorkommenden Fällen ohne eine fefte Grundlage nachgeholfen werden foll, zum blinden Nachbeten von Beftimmungen, die für unfere Zeit einen grofsen Theil ihrer Bedeutung verloren haben. Beide Extreme find in vorliegender Schrift glücklich vermieden, und wenn wir gleich nicht in allen einzelnen Behauptungen und Refultaten mit dem Vf. übereinstimmen: fo glauben wir doch, das Ganze eines denkenden und zum Denken einladenden Rechtsgelehrten jedem, dem es um Berichtigung und Erweiterung kirchenrechtlicher Kenntniffe zu thun ist, mit Grunde empfehlen zu können.

Es besteht aus 5 Abhandlungen, deren Inhalt wir anzeigen und wo es nöthig feyn kann, mit prüfenden Bemerkungen und Zufätzen begleiten wollen. 1) Ueber die religiöfe Erziehung der Kinder, deren Eltern verfchiedener Religion find, mit Rückficht auf den §. 4. des Regulativs für die katholischen Glaubensgenoffen in den G. H. Weimarifchen Landen. Der Vf. bemerkt in der Vorrede, hier finde fich eine Lücke in der Literatur, der Zeitpunkt fey gekommen, wo diefer Gegenftand in rechtlicher und politischer Hinficht erledigt werden könne, wie es einerfeits der Vortheil der Kinder, andererfeits die Freyheit des religiöfen Cultus erfodere. Die verfchiedenen Syfteme über religiöfe Erziehung in älteren fowohl, als in neueren Zeiten werden aufgezählt und gewürdigt. Nach dem Vf. find es folgende fünf, 1) Das durch die neuesten Streitigkeiten nur zu bekannte Zwangs-Verfprechen bey dem Verlöbnifs, fämmtliche Kinder in der Religion des Einen Ehetheils erziehen zu

laffen. Sehr richtig wird geurtheilt, diefes ftreite gegen den Geift der Duldfamkeit und gegen den höchsten ethifchen Grundsatz. 2) Die Erziehung der Söhne in der Religion des Vaters und der Töchter in der Religion der Mutter. Diefes System stört nach der Bemerkung des Vf. die Eintracht der Familien und macht gleichgültig gegen pofitive Religion. (Weder das Eine, noch das Andere kann unbedingt zugegeben werden; beides erhält durch eine Menge entgegenstehender Erfahrungen allererst seine richtige Beftimmung. Alles kommt hier auf die, von jeder pofitiven Religion unabhängige, Menfchenbildung der Eltern an. Ift diefe verfäumt: fo wird freylich das Urtheil des Vf. rücksichtlich auf Störung des häuslichen Friedens fich nur gar zu häufig in der Wirklichkeit beltätigen; ift hingegen für diefelbe geforgt, wie es gewifs bey jeder vernünftigen Erziehung gefchieht, und bey fortfchreitender Cultur immer häufiger der Fall werden wird: fo ift unserem Bedünken nach bey Verschiedenheit des Religions - Unterrichts nichts für den häuslichen Frieden zu fürchten. Selbft die Gleichgültigkeit gegen pofitive Religion, ift keine nothwendige Folge diefer Verfchiedenheit. Auch darf von der anderen Seite der Vortheil nicht überfehen werden, dafs gerade durch diefe Verschiedenheit das Nachdenken über das Eine, was Noth ift und worin alle chriftlichen Confeffionen unverabredet übereinstimmen, um ein grofses befördert, mithin das Reich Gottes, ächte Religiofität, so viel früher herbeygeführt wird. Mehrere Länder haben diefes Syftem angenommen, achtungswerthe Gesetzgeber haben die Billigkeit, welche demselben zum Grunde liegt, anerkannt, ohne gegen die, unter gewiffen Umständen dabey eintretenden, Bedenklichkeiten die Augen zu fchliefsen. Ganz ohne Uebel läfst fich daffelbe freylich nicht denken; die Frage, welche nur mit der forgfältigsten Umficht beantwortet werden kann, besteht eigentlich darin: ob diefes Uebel nicht verhältnifsmäfsig das kleinfte fey) 3) Abhängigkeit der religiöfen Erziehung von der Wahl des Vaters. Hier findet der Vf. die Rechte der Mutter gekränkt. (Wir möchten fagen: wenn alle Väter wähl ten, was unter den bestehenden Verhältniffen für ihre Kinder in jeder Hinsicht das vortheilhaftefte wäre:fo wäre diefe Kränkung nichts weniger, als nothwendig. Da aber, der Regel nach, ihre Wahl fämmtliche Kinder für diejenige Confeffion bestimmen würde, welcher he felbft zugethan find: fo fragt es fich nur, ob die da durch bewirkte Erziehungs-Gleichheit mit ihren glucklichen Folgen jene wahre oder anscheinende Kränkung der mütterlichen Rechte nicht bey weitem aufwiegen, und auf jeden Fall dieselbe in ein milderes Licht fetzen

würde? Als eine wefentliche Modification dieses Systems dürfte es anzufehen feyn, wenn nach einem G. H. Weimarischen Gesetze über die Verhätniffe der katholischen Kirchen und Schulen vom 7. Oct. 1823 §. 51, fämmtliche Kinder aus den fraglichen Ehen in der Religion desjenigen Ehegatten, deffen Familie in auffteigender Linie am längsten als katholisch oder als protestantisch in einem gewiffen Lande eingebürgert gewefen ist, und nur dann in der Religion des Vaters getauft und erzogen werden follen, wenn durch diefe Bestimmung keine Entfcheidungsnorm gewonnen werden kann.) 4) Ausfetzung der Wahl bis zu den Jahren der Unterfcheidung. Der Vf. findet diefes gefährlich, weil dadurch die Einheit religiöfer Anfichten gehindert, und entweder gänzliche Irreligiofität oder blinde Vorliebe zum Katholicismus, als einer auf die Sinnlichkeit mächtig einwirkenden Religion, begründet werde. (Ueberhaupt scheinen Vorschläge diefer Art mehr auf Platonische Republiken, als auf chriftlich organifirte Staaten berechnet zu feyn.) 5) Abhängigkeit der religiöfen Erziehung von der Beftimmung der Obrigkeit, wie ehemals zu Lacedämon, Creta u. f. w., ein Syftem, durch welches, wie der Vf. bemerkt, die väterliche Herrfchaft ganz aufgehoben wird. (Gründet fich diese Bestimmung nicht auf perfönliche Willkühr der Oberen, fondern auf das Anfehen von Gefetzen, die im Namen Aller den all'gemeinen Willen ausfprechen, und bey aller Achtung für Kirchenthum die Gewillensfreyheit der Staatsbürger und den Geift ächter Duldsamkeit nicht gefährden: fo läfst fich auf diefem Wege allerdings viel Gedeihliches erwarten.) Nach diefer Aufzählung schlägt der Vf. ein neues System vor: Erziehung der Kinder zu den Grundfätzen der herrfchenden Religion. Unter diefer verfteht er keinesweges eine Staatsreligion, dergleichen weder rechtlich noch theologisch fich denken laffe, auch nicht diejenige, welcher der Regent und die Mitglieder feiner Familie zugethan find, fondern diejenige, wozu fich nach einer von Klüber gegebenen Erklärung die Mehrheit der Bürger eines Landes bekennt. Diefe Erziehung, bemerkt er, fey den Kindern die vortheilhaftefte, weil dadurch eine gröfsere Annäherung der Gemüther, eine gröfsere Zuneigung gegen die Kinder bewirkt werde. durch diefes System, infofern es Zwangsvorschrift wäre, (Unferm Bedünken nach würde nichts gewonnen, das nicht im Wefentlichen auch auf andere Art zu erreichen ftünde; im Gegentheil würde die religiöse Freyheit der zur Minderzahl gehörigen Ehegatten dadurch empfindlich gekränkt. Nicht innere Gründe, fondern zufällige Umstände würden die Kirchengemeinschaft feiner Kinder bestimmen, und früher oder fpäter würde jede von der herrschenden Kirche abweichende Confeffion von der Mehrheit verfchlungen, um die Kirchenherrfchaft der erften zu vergrössern.) Der Vf. prüft hierauf einige hieher gehörige Bestimmungen in dem Regulativ für die von Napoleon geStiftete katholische Kirche Maria Sieg zu Jena, welches unterm 19. April 1813 von dem jetzt regierenden Grofsherzog von Weimar mit Einverständnifs des Fürft Primas Karl, Erzbischof von Regensburg, gegeben wurde, und als Beylage zu dieser Abhandlung von S. 32-50 vollständig mitgetheilt wird.

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2) Ueber das Zwangsrecht gegen den Beichtvater auf Revelation jedes Beichtgeheimniffes, fobald die Gerechtigkeit zum Beften der Juftizpflege darauf dringt, mit befonderer Rücksicht auf die Gemeinfchädlichkeit der Ohrenbeichte. Der Vf. bemerkt in der Einleitung, diefer Gegenstand fey bisher nur felten und dürftig beleuchtet. (Zwey Abhandlungen katholifcher Schriftfteller fcheinen feiner Aufmerksamkeit entgangen zu feyn, die eine von Oberthür: Ueber den Einflufs, religiöfer Anstalten, infonderheit der Beichte auf den Staat und derfelben Verbindung mit der Criminaljustiz; im Archiv des Criminalrechts B. IV, St. 2, S. 19-77; die zweyte von Andres: Ueber das Beichtfiegel. und die daraus abgeleitete Freyheit des Beichtpriesters von der Zeugschaft; im neuen Archiv des Cr. Rechts B. I. S. 556 -577 und B. II. S. 151-169. Der Inhalt von beiden würde ihm manche treffliche Belege zu feinen Behauptungen dargereicht haben, und zu einer gröfseren Vollendung des Ganzen behülflich gewefen feyn.) Der Vf. geht von dem doppelten Grundfatze aus, das PriesterInterelle dürfe dem Staats- Intereffe nicht entgegengefetzt feyn, und das Staats- Intereffe verpflichte jeden Bürger, die Wahrheit zu erklären, fo oft er von der ordentlichen Obrigkeit dazu aufgefodert werde. Theorie findet die Unverletzlichkeit des Beichtfiegels nur Nach feiner infofern Statt, als von Seiten der Obrigkeit keine entgegenftehende Auffoderung eintritt. Er bemerkt zwar

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S. 60, der vorfichtige Richter werde den Beichtvater nur dann zum Zeugnifs auffodern, wenn ihm andere Erforfchungsmittel nicht übrig feyen, und die Wichtigkeit der Sache es erfodere; da jedoch nach S. 61 nicht blofs in den von den Kanonisten zugegebenen Fällen, sondern auch in allen übrigen, wo dem Beichtpriefter etwas Verbrecherisches bekannt geworden, das Beichtfiegel gebrochen werden dürfte: fo würde die Unverletzlichkeit deffelben in Rücksicht auf Gegenstände des Criminalrechts durchaus dem richterlichen Ermeffen anheim fallen. (Hier hätten die Gränzen diefes Ermeffens mit möglichster Genauigkeit bestimmt werden müssen. fchriften der preufsifchen Gefetzgebung - Landr. II, Nach den Vor11, §. 80-82 und Ger. Ordn. I, 10, §. 180 die fich felbft nach dem Urtheile des zweytgedachten katholischen Schriftstellers auf chriftliche Moral, gefunde Vernunft und folide Rechtsprincipien gründen, liegt es nur infofern dem Geiftlichen ob, der Obrigkeit von dem ihm Anvertrauten Nachricht zu geben, als dadurch eine dem Staate drohende Gefahr abzuwenden, ein Verbrechen zu verhindern, oder den fchädlichen Folgen eines Verbre chens zuvorzukommen ist. Ganz in eben diesem Geifte heilst es in dem bereits erwähnten G. H. Weimarifchen Gesetze von 7. Qctbr. 1823 §. 38:,,Sollte durch die Aus fage und Angabe des Geiftlichen Unglück und Nachtheil von dem Staate øder von Einzelnen abgewandt, ein Verbrechen verhütet oder den fchädlichen Folgen eines Verbrechens abgeholfen werden können, fo kann das Siegel der Verfchwiegenheit nicht stärker feyn, als die Pflicht des Staatsbürgers." Die wichtige Vorfrage über die Formen diefer Mittheilungen und über die Art und gangen. Es kann nämlich gefragt werden: Befchränkt Weife ihres Gebrauchs wird mit Stillfchweigen überfich das Recht und die Pflicht des Staats auf das einmal

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für allemal von dem Geiftlichen zu fodernde eidliche Verfprechen, in Fällen diefer Art der weltlichen Behörde freywillig die Anzeige zu machen, oder mufs in jedem einzelnen Falle defshalb eine befondere Auffoderung an ihn ergehen, und follen im letzten Falle blofs Nachweilungen zum Behuf der Unterfuchung, oder foll ein gerichtliches Zeugnifs über folche Eröffnungen erfodert werden? Mehrere Gefetzgebungen, namentlich die Preufsifche, laffen das Letzte in keinem Falle zu, und in der That scheint die der Perfon und dem Amte des Geiftlichen fchuldige Achtung die wichtigsten Bedenklichkeiten gegen diefe Form der Mittheilung zu begründen. Dafs man in andern Gesetzgebungen über dergleichen Eröffnungen förmliche gerichtliche Zeugnisse erfodert, fcheint mit dem Irrthume zufammenzuhängen, dafs man fich überhaupt in einem Zeitalter, worin das Nachdenken über Kirchenthum und kirchliche Institute felbft in die untersten Claffen der Gesellschaft einzudringen angefangen hat, von den im Beichtftuhle erwarteten Entdeckungen zu viel verspricht. Die Zeiten, worin ein Ravaillac feinen vorhabenden Königsmord beichtete, und ein Pater Auvigny Böfewicht genug war, diefe beabfichtete Greuelthat nicht zur Anzeige zu bringen, haben fich um ein grosses geändert, und fo wie es fchwerlich im gegenwärtigen Augenblicke in der ganzen katholifchen Chriftenheit auch nur einen einzigen Priester geben dürfte, der im Stande wäre, in einem ähnlichen Falle das Verbrechen des Letzten zu theilen, eben fo wenig läfst fich erwarten, dass ein zweyter Ravaillac das blofse Vorhaben feiner Greuelthat im Beichtstuhle zur Anzeige bringen werde. Je verruchter Jemand ist, desto weniger läfst fich von feiner Beichte erwarten, und wer mit kaltem Blute die heiligsten Gebote der Gottheit zu verletzen befchloffen hat, wird in der Regel blofs kirchlichen Inftituten keine gröfsere Achtung beweifen.) Wie wenig bedeutend nach der eigenen Anficht des Vfs. der Nutzen fey, den fich die Justiz von Mittheilungen aus dem Beichtstuhle zu versprechen hat, zeigt fein Vorschlag, die fogenannte Ohrenbeichte gegen die öffentliche zu vertauschen. Er findet in der ersten, nach einer ausführlichen Darstellung ihrer Gefchichte, das ficherste Mittel zur Ausdehnung der Priesterherrschaft, nennt fie ein Inftitut der Verwirrung der inneren und äufseren Welt, eine Quelle des Verraths, ein Mittel, die Gehorfamspflicht gegen Staatsgesetze zu untergraben, und der Tugend der Weiber und Mädchen gefährlich zu werden. Es ist merkwürdig, dafs die von dem Vf. angeführten Beyspiele fämmtlich aus der Gefchichte der Jesuiten entlehnt find, doch dürfte es feit dem verhängnilsvollen Geburtsjahre diefes, i. J. 1216 vom Pabfte Innocenz III gefchaffenen, Inftituts auch in anderen Claffen der katholischen Geiftlichkeit nicht an Beyspielen ähnlicher Verirrungen fehlen, die bey öffentlicher Beichte verfchwinden würden. Wie fchwer åber die Einführung diefer letzten zu bewirken fey, hat nicht nur die Gefchichte der protestantischen Kirche überzeugend bewiefen, fondern auch die tägliche Erfahrung der in der katholischen Kirche, fowohl von Seiten der Priester als von dem grofsen Haufen der Laien, diesem Institute gewidmeten Anhänglichheit macht es nur zu wahrschein

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lich, dafs die fragliche Umschaffung, wenn fie auf radem Wege erfolgen foll, entweder nie, oder vielleicht erft nach dem Ablaufe mehrerer Jahrhunderte, werde bewirkt werden können. Weit angemessener und erfolgreicher dürfte der Vorschlag des erftgedachten katholischen Schriftstellers feyn: öffentliche Beichte mit der Priefterbeichte zu verbinden. Beide follen unmittelbar auf einander folgen, follen den Gegenstand einer und ebenderfelben öffentlichen Andacht ausmachen. Weiter zu gehen, war dem trefflichen Oberthür, als Mitgliede des katholischen Clerus, wohl kaum erlaubt. It es dem Rec., als Proteftanten, erlaubt einen Wunsch an den Seinigen zu reihen: fo dürfte es diefer seyn, dafs nach der, auf dem Wege, fanfter Belehrung vorzunehmenden, Ausführung diefes Vorfchlags eine Zeit kommen möge, wo diefe Andachten dahin abgeändert würden, dafs zwar öffentliche Beichte fortführe, einen wefentlichen Bestandtheil derfelben auszumachen, die Todann folgende Privatbeichte hingegen in jedermanns Freyheit geftellt würde. Rec: glaubt nicht, dafs irgend ein denkender Katholik gegen diefen Zufatz etwas einwenden werde. Das Himmelreich, fagt Chriftus, leidet keine Gewalt. Zwang follte bey Inftituten diefer Art durchaus nicht Statt finden, weil er das ficherste Mittel enthält, die gehofften Vortheile derfelben zu vereiteln, und Auslaffungen, Entstellungen, Einschiebfel, Unwahrheiten aller Art dem Sündenbekenntnisse beyzumifchen. Nur durch Rückgabe der natürlichen Freyheit kann das fragliche Inftitut, von Mifsbräuchen gereinigt, als Beförderungsmittel der Menfchenveredlung eine für den Staat und die Kirche gleich wohlthätige Anstalt abgeben.

Eine

3) Von der widerrechtlichen Begünstigung der Ehefcheidungen in Fällen böfslicher Verlaffung nach fruchtlos angewandten Zwangs- Mafsregeln. Revifion des Quafi-Defertions - Proceffes, befonders der im Grofsh. Sachfen-Weimar dabey üblichen Praxis. Der Vf. beftreitet den Gerichtsgebrauch, wonach derjenige Gatte, welcher bereits zu mehreren Malen Gefängnissftrafe erlitten hat, ohne zu dem andern, von, ihm eigen mächtig verlaffenen Ehetheile zurückzukehren, in der Regel gefchieden wird, fobald er wegen eines bey ihm entstandenen Widerwillens auf Trennung der Ehe befteht. Der Vf. behauptet, mit Verweifung auf J. H. Böhmer Jus eccl. Prot. L. IV. Tit. 19. §. 27 m., blofse Unverträglichkeit enthalte keinen hinlänglichen Grund, einen Vertrag aufzuheben, der für die Ewigkeit gefchloffen, und deffen Aufrechterhaltung in religiöfer und politischer Hinficht von der gröfsten Wichtigkeit fey. Er leugnet nicht, dafs es Falle diefer Art gebe, in welchen Trennung, wenn fie von beiden Parteyen gewünscht werde, zuläffig fey. Nur auf ein blofs einfeitiges Gefuch findet er diefelbe unftatthaft, fobald fie auf die fragliche Urfache befchränkt fey. Vorgegeben, bemerkt er, fey nicht bewiefen, und eine Trennung diefer Art begünftigen, heifse, jedem Gatten das Recht geben, nach Willkühr das Eheband aufzulöfen. Er falst die Tendenz feiner Unterfuchungen am Schluffe in folgende Hauptmomente zusammen. A. Der Richter müffe in Rückficht der gegen den entwichenen Ehetheil zu ver

J. A. L. Z.

JANUAR 18-2-5.

hängenden Gefängnissftrafe mit grösserer Strenge verfahren. Selbft Zuchthausftrafe mülle in diefem Falle verfügt werden können, vielleicht auch noch vor Verhängung der erften. Sequeftration des entlaufenen Ehegatten felbft, befonders, wenn es die Frau wäre, gemäls der Beftimmung des c. 8. X. de reftit. fpoliatorum B. Er müffe jede Klage, welche fich unmittelbar nur auf den Vorwand des Haffes und der erlittenen, aber erfolglos gebliebenen Zwangsmittel gründe, abweifen, fobald fie nicht von anderen erweisbaren Umständen begleitet werde. Dem auf Fortdauer des Ehebandes beftehenden Gatten foll bey einer Klage dieser Art die Einrede des Spoliums zuftändig, mithin ihm erlaubt feyn, die Einlaffung fo lange zu verweigern, bis der Richter feinem in den Rechten begründeten Vindications-Befugnils durch Gewährung feines Gefuchs um Auslieferung des entwichenen Ehetheils Wirkung verfchafft habe. (Wir laffen der, gewifs nicht unedlen, Abficht des Vf. volle Gerechtigkeit widerfahren, erlauben uns aber, aufgemuntert durch feinen eigenen, in der Vorrede ausgefprochenen Wunsch, feiner Argumentation folgende Bemerkungen entgegen zu fetzen. 1) Es ift weder in politischer noch in religiöfer Hinficht ganz richtig, wenn Beförderung des Eheftandes Schlechtweg für Grundfatz erklärt wird. Um hier nur von dem erften diefer Gefichtspuncte zu reden, mit welchem der religiöfe in letzter Auflösung gewiffermassen zusammenfällt: fo bemerken wir, was kein Unbefangener in der proteftantifchen Kirche, an welche hier vorzugsweile gedacht werden mufs, in Abrede ftellen wird, dafs nur die Beförderung menfchlich-glücklicher Ehen diefen Grundfatz abgeben kann. Weit entfernt, hier an Ideale von Vollkommenheit zu denken, verftehen wir unter dem. gebrauchten Beyworte folche Ehen, bey denen Genufs und unvermeidliches Leiden in einer folchen Mischung

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2) Dafs der Ehevertrag ewig feyn folle, ift allerdings eine 'Statt finden, dafs hie zum wenigften erträglich find. Grundidee bey Schliefsung deffelben, aber es ist nicht fprüche auf den kaum gedachten Zustand von Erträgdie Einzige. Jeder Staatsbewohner hat zugleich Anlichkeit, der bey diefem Bunde eine still schweigende, fich von felbft verstehende, Bedingung ausmacht. Wird diefe Bedingung nicht erfüllt (fi perferri amplius nequit wie fich Böhmer a. a. O. §. 42 ausdrückt): so tritt jener Zustand ein, in welchem, wie es weiter heifst ad feparationem temporalem concurrendum eft, oder, wie es der damalige, noch nicht völlig von papiftifchen Ideen entladene Gerichtsgebrauch mit fich brachte, eine temporäre Scheidung von Tisch und Bett Platz greifen mufs, und in welchem, nach den gereinigteren Begriffen des Proteftantismus der neueren Zeit, auf eine gänzliche Trennung des Ehebündniffes erkannt werden kann. Man fehe z. B. Preufs. Landr. Th. II. Tit. 1. §. 733, wofelbft eine blofse Scheidung von Tisch und Bette für unzuläffig erklärt wird, fobald auch nur Einer der Ehegatten der protestantischen Religion zugethan ift. Ein unerträgliches Eheband wer möchte es dulden, ohne fein eigener Feind zu feyn, welcher Staat könnte es wider den Wunsch der Parteyen fefthalten, ohne we nigftens die Eine derfelben unverdienter Weife in unablehbares Elend zu ftürzen? Nicht ohne Grund hat ein bekannter franzöfifcher Dichter einen folchen Zustand kleine, aber gehaltvolle Schrift: L'art de rendre les mit den Qualen der Hölle verglichen. Man sehe die ménages heureux. Par. 1789. 8; wo es u. a. heilst:

Se quereller ou s'éviter le jour,

Sans joie à table et la nuit sans amour,
Gémir, sécher dans sa douleur profonde:
Un tel Hymen est l'enfer de ce monde.

(Die Fortsetzung folgt im nächsten Stücke.)

KURZE

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SCHÖNE KÜNSTE. Ronneburg, im literarischen Comptoir: Roswinde und Lebededio, oder: der Einfall- der Ungarn in Italien im Jahr Neunhundert. Ein hiftorischer Roman yon David Bertolotti. Aus dem Italiänifchen überfetzt von C. G. Henning 1824. 502 S. 8. (1 Thlr. 3 gr.)

Wenn der Vf. verfichert, er habe nach einer alten handschriftlichen Chronik oder, wie er S. 296 fagt, nach einer Legende des zehnten Jahrhunderts, diefe romantifche Gefchichte bearbeitet: fo kann diefs zwar den Lefern folcher Werke ganz gleichgültig feyn, wenn nur das Historische gut unterhaltend benutzt worden ift: Und das ift von unferem Vf. wirklich gefchehen. Mit Umficht und grofser Belefenheit ift der Italiäner zu Werke gegangen, wie auch die angeführten Quellen bezeugen. Die Zeit des Königs Berengar, als die Ungarn die Lombardie überschwemmten, als Ravenna fo hart bedroht und bedrängt wurde, ift die merkwürdige und verhängnifsvolle Periode, in welche der Vf. die Scenen feiner Erzählung verlegt hat. alles, was ein Romantiker zu einer fo wunderbaren ErSie giebt zählung nur fodern kann. der Vf. gar nicht unbekannt, nur fchwächt den berechneMit dem Effectmachenden ift ten Eindruck zuweilen die Weitschweifigkeit, in welche der Erzähler bisweilen abfichtlich zu verfallen fcheint

N.

Manches mag auch der Ueberfetzer fchon abgekürzt haben, wie man wenigftens aus feiner wohlgerathenen Ueberfe tzung vermuthen kann, und wie Rec., dem das Original nicht vor den Augen lag, fogleich fühlte. chend für deutsche Lefer ift die Gewohnheit der Profai Nicht anfpreker der Italiäner, welche fie nur gar zu gern von ihren Dichtern entlehnen, ihre Erzählungen mit Gleichniffen zu überladeu. Z. B. wie ein aus den Luften tief herabblickender Adler u. f. w., gleich dem Löwen der u. f. w., wie ein Schaaf fanft fcherzend auf der Weide u. f. w., gleich dem Wanderer, dem der Anblick einer zufammengerollten im Grafe gelegenen Schlange u. f. w., in der füssen Einfalt ihres Herzens, gleich dem Lämmchen u. f. w. dgl. m. Unfere deutsche Lelewelt verlangt dergleichen fymbolifche Koft nicht. Recht gut und ansprechend ift (S. 208) das farmatische Liedchen. S. 298 mittheilt, und welche in den Ruinen einer alten Die Grabschriften, welche der Vf. Klofterkirche bey einem neuen Baue i. J. 1802 gefunden worden feyn follen, find zwar gut erdacht: allein im zehnten Jahrh. ftilifirten die Mönche gewifs noch nicht fo. (Wenigftens willen wir nichts davon.) Abgefehen von diefen Mangeln hat der Vf. fich gewifs den Dank der Lelewelt verdient. L. P.

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