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für mich, bin ruhig bey folchen Beftrebungen: denn die unermessliche fymbolische Vorwelt, auch in Griechenland, werden keine menfchlichen Bemühungen jemals vernichten können." Wagen es aber Mythologen unfymbolifcher Art gegen das Schauen der Anschauungen zu protestiren; weifen fie dem geborenen Mythologen Verftöfse gegen die Sprache, Irrthumer im Gebrauch des Stoffes, ja Unkunde des Gegenstandes nach: fo antwortet diefer auf fo unartige Einrede entweder gar nicht, oder er beginnt statt des Streits um die Sache einen perfönlichen, Ipricht dem Gegner (Hom. Br. S. IV) Wahrheitsliebe, Männerfinn und Geradheit rund ab, und läfst fich die Klarheit feines- Bewusst feyns nicht dadurch trüben, ,,dafs er den dunklen Bewegungsgründen eines anonymen Tadels nachgehe."

Mögen die Anhänger des Myfticismus fich erfreuen an dem Beyfall, den fich die Creuzerifche Symbolik erworben hat, den Anhängern der gefchichtlichen Wahrheitsforschung ward es Bedürfnifs, dafs fich ihr endlich der Mann entgegenftellte, welchen Deutschland als den Begründer einer vernünftigen Mythologie fchon längt zu erkennen Veranlaffung hatte. Nicht zum er-. ften Mal zeigt fich Vofs als Bekämpfer einer Entftellung der Mythologie, und wie er früher fiegreich aus dem Kampfe hervorging, fo hat er auch jetzt durch die Ge-, walt der Wahrheit feinen Gegner niedergebeugt. Nicht länger, hoffen wir, wird der unerweisbare Satz, aus dem Orient, und zwar aus Indien ftamme die ältefte griechische Mythologie, Anfehn und Einfluss behaupten auf den Gang hiftorilcher Forfchung. Man wird es fich vielmehr künftig wieder ernftlich angelegen feyn laffen, bey den mythologischen Unterfuchungen den Weg der Gefchichte zu gehen, und alle Nebenwege myfiifcher Unkritik forgfältig zu vermeiden.

Das erfte Stück der Antifymbolik S. 1-167 ift gegen die Creuzerifche Symbolik, und vorzugsweile gegen deren Indifchen Dionyfos, genannt Schiwa Dewanifchi, gerichtet. Selbiges erfchien bereits als Recenfion in hiefiger Literaturzeitung (1821. May), erhielt jedoch bey feinem zweyten Auftritt einige Erweiterungen. Dagegen verlor es in feiner neuen Gestalt die Abhandlung über den Dionyfos von Thebe, die noch mehr ausgearbeitet nächstens in,,Mythologischen Forfchungen wieder erfcheinen foll." Rec. will fich nicht damit aufhalten, aus der hier gegebenen Kritik weitläuftig zu wiederholen, auf welchen Irrthümern und Misgriffen das Gebäude der Creuzerifchen Symbolik beruht. Der Mann, der den historischen Weg verachtet, und lächerlich zu machen fucht (Zeitgen. XXXI. 3-47), der fich in einen Nimbus von Frömmigkeit hüllt, und fich felbft für einen Idealiften ausgiebt, trägt kein Bedenken, die auffallendften Unfauberkeiten des fpäteren, entarteten Priesterthums, vor denen das fittliche Schamgefuhl zurückschaudert, als uralte Weisheit, verehrungswürdige Religion, und heilige Vorbereitung des reinen Chriftenthums, im Widerspruch mit aller gefchichtlichen Wahrheit anzupreifen. Dafs diefe Befchuldigung gegründet ift, werden die kundigen Lefer der Symbolik Ichon längst willen, die übrigen können es aus der Antifymbolik fattfam erfehen. Das Auf

fallendste ist aber der angebliche Beweis für den Zug des Schiwa -Dewanischi aus, Indien nach Europa. Als Zeuge wird der Kolonel Polier angeführt, aber fälfchlich, denn die Stiftsdame Polier ift es, welche in der Einleitung zu der Mythologie des Indous diefes Zuges gedenkt, und zwar auf die Autorität Wilfords. Was aber Wilford davon erzählt (Afiat. Unterfuch, III), gründet fich nach feinem eigenen Geständniss (Afiat, Unterfuch. VIII. N. 7) auf Betrug eines Panditen und meineidiger Braminen. So fchiebt Hr. Creuzer des getäuschten Wilfords widerrufene Ausfage dem Kolonel Polier unter, und macht hie zum Grundftein feiner Symbolik.

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Der Gang der Widerlegung gab dem verehrten Vf. zu einer Menge fchätzbarer Bemerkungen Veranlaffung. Sehr beachtungswerth ift die S. 65 flg., 73 flg., 80 flg. gegebene kurze Auseinanderfetzung, wie der thebifche Dionyfos um Ol. 30 als Geweihter der Kybele zum Bakchos, dann durch Orphiker zum Ofiris umgedeutet, und endlich durch die Makedonier nach Indien verletzt wird. Makedonier unter Alexandros und Seleukos waren es auch, die zuerft etwas feinere Cultur aus Griechenland nach Indien verpflanzten, und des Vfs. Vermuthung ist sehr wahrscheinlich (S. 93 flg.), dafs, was die Sakontala Classisches befitzt, fie dem griechifchen Genius verdanke, Am Schlufs diefes erfien Stückes erklärt fich der Vf. näher über die Grundfätze, nach denen feiner Anficht zufolge die Mythologie behandelt werden müsse. Rec. hält diefe Grundfätze für die einzig richtigen, und meint nicht Raum zu verfchwenden, wenn er fie hier wörtlich mittheilt, auf fie foviel als möglich aufmerkfam zu machen:,,Ein tüchtiger Forfcher der Mythologie mufs, begeistert von nichts als Wahrheitsliebe, vorfichtig und befonnen den Weg der Gefchichte gehen, von der früheften Erfcheinung an, durch die allmählichen Fortfchritte und Umbildungen. Soll eines Gottes Urfprung und Bedeutung, foll ein öffentlicher Religionsgebrauch, oder ein geheimer Dienst in Mysterien enthüllt werden; die Frage mufs feyn: Wann zuerft, und wo, wird des Gottes, des Gebrauchs, des Geheimdienftes erwähnt? Wie waren die Zeitverhältniffe, die Sitten, die Erfahrungen, die Begriffe von Welt und göttlicher Natur? Hatte das Wort der alten Sprache den Sinn der fpäteren? und mögen wir heutigen Europäer bey dem Ausdruck unferer Sprache genau das denken, was der alte Grieche und der fpätere gedacht? Verftehn wir den Zeugen recht? Was konnt er wiffen? was wollte, was durft' er mittheilen? War er leichtgläubig und mährchenhaft? bey herrschendem Glauben achtlos? bey geheiligtem behutfam? It fein Ernft Schonung? Wink zum Befferen? verhaltener Spott? Half er felbft täufchen, in gutmüthiger Abficht, oder zu Gewinn und Herrschaft? War, was er meldet, Glaube der alten Zeit ohne Zufatz? war es urfprünglicher Gebrauch, oder ins Alterthum hinaufgefabelte Neuerung? So mufs fich der Redliche hindurchzweifeln, durch verjährten Walinglauben und erneueten Priesterbetrug, zur Wahrheit. muhfeliger Gang auf ftolperiger Bahn, wo auch die gefpanntelte Wachfamkeit gegen täufchenden Schein, ge

Ein

gen fremdes und eigenes Vorurtheil, gegen Selbstliebe, gegen Gunft oder Abgunft, gegen Vertraun oder MifsIraun, kaum vor Fehltritten' und Verirrungen bewahrt!"

Das zweyte Stück führt die Ueberfchrift: Gottheit und Fortdauer der Seele nach altgriechischer Vorfieltung. S. 168-235. Diefe Abhandlung, die zum Theil bereits 1819. Dec. in hiefiger Literaturzeitung erschien, zerfällt in zwey Abschnitte. Die Entwickelung der wechfelnden Begriffe über das Wefen der Gottheit, welche fich in den verfchiedenen Epochen der alten Welt finden, geht von S. 168 bis S. 203. Der Vf. beginnt Der Vf. beginnt mit dem Nachweis, dass höhere Geiftescultur das griechifche Volk nur aus fich felbft entwickelt, nicht empfangen habe, ja nicht empfangen haben könne von Afiens Völkern, oder von den Aegyptern. Denn diefe, obfchon vorgefchrittener in allerhand Betriebfamkeit, auch Prunk und Luxus des Lebens, blieben doch immer nur Barbaren. Gewils billigt und theilt diefe Anficht, wer des griechifchen Volkes geiltige Selbfiftändigkeit zu erkennen vermag. Nur was einzelne, für das Refultat der Unterfuchung nicht entscheidende, aber an fich auch nicht unwichtige Punkte anlangt, gefteht Rec. abweichender Meinung zu feyn, und er will hierüber feine Zweifel und Bedenken vortragen. Wenn er irrt, wird er fehr gern Belehrung annehmen, und das Behauptete widerrufen.

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Ungerecht möchte es feyn, dafs die Troer mit den umwohnenden Völkern in Eine Claffe gerechnet, zu eiDer nem barbarifchen Volksstamm gemacht werden. 'Vf. fucht zwar durch Gründe feine Behauptung zu erhärten, und was ihr entgegenstehen möchte, durch Erklärung zu befeitigen, aber das hieruber Vorgebrachte fcheint der nöthigen Beweiskraft zu ermangeln. S. 171 heifst es: An Vorderafiens Kuften zeigt Homer nährende Feldwirthschaft, doch ohne Weinpflanzungen, aufser bey den Frygern des Hellesponts, einem thrakischen Stamm, und zur Schlacht wildes Anfchwärmen mit Gefchrey." Ob die Phryger aus Europa eingewandert find nach Vorderafien, oder ob nicht mit mehr Wahrfcheinlichkeit das Unigekehrte anzunehmen ist, bleibe unentschieden. Aber da des Weines in Troia häufig gedacht wird, ihn nicht blofs Menfchien, fondern auch Hektors Roffe trinken, das troifche Land für Weinpflanzungen fich wohl eignete, und der Ausdruck naρròs apovoys in dem Zusammenhange, in dem er steht, nicht füglich auf Phrygien, fondern wohl nur auf Troia gehen kann: fo ift Rec. geneigt, Weinpflanzungen in Troia anzunehmen. Nun kann man zwar einwenden, die Troer erhandelten vielleicht den Wein von Phrygern; allein, wenn man den Wein kaufen musste, fo ift es kaum glaublich, dafs ihn Andromache den Roffen gegeben haben würde, und der Ausdruck xapros ápoúpys. von ihm, als einem ausländifchen Gewächs, gebraucht worden wäre. Soll der troifche Wein aber durchaus phrygifchen Ursprungs feyn: so ist es wahrscheinlicher,

ten.

dafs die Troer ein für allemal Weinflöcke aus Phrygien geholt, als alljährig gekelterten Wein gekauft haben. Auch kommt einigemal das Wort Quradia in Beziehung auf Troia und Lykien (wo auch Wein getrunken wird) vor; und warum follen wir annehmen, dass an diefen Stellen Quradia blofs einen Obftgarten, nicht auch eine Weinpflanzung bedeute? Ift alfo ein Grund vorhanden, den Troern den Weinbau abzufprechen? und könnte man ihnen auch die Erzeugung des Weines abfprechen, wäre es deswegen erlaubt, die Troer zu Barbaren zu machen? Dafs die Troer mit wildem Anfchwärmen in die Schlacht gezogen feyen, wagt Rec. nicht zu behaupDie einzige Stelle, 'die der Vf. im Sinn gehabt zu haben fcheint, IL. VIII, 58, kann Rec. nicht als Beweis annehmen, da die Worte ἐκ δ ̓ ἔσσυτο λαός wohl noch nicht ein wildes Anfchwärmen des Volkes bezeichnen. Will man fie aber so verftehen: fo kann man den Achäern auch ein wildes Anschwärmen zur Laft legen: denn von ihnen heist es Il. XI, 49: αὐτοὶ δὲ πρυλέες σὺν τεύχεσι θωρηχθέντες ῥώοντ' ἄσβεστος δὲ βοὴ γένετ' ζῶθι πρό, Und v. 52: ἐν δὲ κυδοιμὸν ώρσε κακὸν Koovidns. Dals die Troer einigemal mit Gefchrey in die Schlacht ziehen, it richtig, aber kein Beweis für Barbarey, da, wie wir aus der angefuhrten Stelle II. XI, 49-53 erfehen, ein erfchreckliches Gefchrey und Getümmel auch bey den in die Schlacht rückenden Achäern nichts unerhörtes war. Ueberdiefs entfchuldigt die Troer in diefer Hinficht noch die grofse Mischung ihres Heeres; denn nicht wenig trug die Sprachverschiedenheit, die in diefem Falle Sprachverwirrung erzeugte, zu der Erhöhung des Lerms bey, worauf Homer felbft ganz deutlich hindeutet. ,,Anzeigen früheres Verkehrs mit den Achäern find die milden Sitten, und die Sprachver-wandtschaft; noch mehr die heiligen Gebräuche, Pallas Athene die Stadtfchirmerin, Apollon Smintheus, der in Chryfe, wie in Tenedos, herrfcht, und auf des Priefters Ruf vom Olympos daherwandelt, ja des olympifchen Zeus Heiligthum auf dem Idagipfel." Dafs die milden Sitten und die Sprache aus fruherem Verkehr mit den Achäern fich erklären laffen, glaubt Rec. keinesweges. Bedürfniffe des Lebensunterhaltes und des Luxus theilen fich wohl mit durch Völkerverkehr, aber schwerlich milde Sitten und noch viel weniger Sprachen. Wenigftens ift dem Rec. kein Beyfpiel aus der Geschichte erinnerlich, dafs ein Volk durch Verkehr veranlafst worden fey, feine Sprache zu verlernen und eine andere anzunehmen. Die Bildung der romanifchen Sprachen wird Niemand als Beyfpiel gelten laffen wollen. Und damit feine Sitten ein ungebildetes Volk von einem gebildelen annehme, dazu find langdauernde, ununterbrochene Verbindungen nöthig. Verkehr alfo vorausgesetzt zwischen Achäern und Troern, fo muss er sehr Itark gewefen feyn, um die feinen Sitten zu erklären; wie er aber auch befchaffen feyn mag, die griechische Sprache in Troia erklärt er nicht.

(Die Fortsetzung folgt im nächsten Stücke.)

JENA IS CHE

ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG.

JANUAR 18 2 5.

ALTERTHUMS WISSENSCHAFT. STUTTGART, b. Metzler: Antifymbolik von Johann Heinrich Vofs u. f. w.

(Fortfetzung der im vorigen Stück abgebrochenen Recenfion.)

ehe

Doch was berechtiget uns denn, Verkehr zwifelien Troia und Achaia anzunehmen? Die griechifchtroifche Sprache nicht, eben fo wenig die milden Sitten, denn diefe laffen eher auf griechische Nationalverwandtfchaft fchliefsen. Was denn? Sind die gebildeleren Stämme der Achäer etwa Nachbarn der Troer? Fand Landhandel zwischen Europa und Afien Statt, oder Seehandel? Setzt letzterer nicht fchon eine vorgefchrittenere Schiffahrt voraus, als wir felbft nach dem troischen Kriege finden? Zwar fchifft Herakles nach Troia, Bellerophon nach Lykien, Tleptolemos nach Rhodos, Paris nach Sparta; aber kann man diefe wenigen Streifzüge, die als verwegene Abentheuer bewundert wurden, Verkehr nennen? Hätte Verkehr Statt gefunden, man hätte fie nicht bewundert. Ferner, wenn wir annehmen wollen, dafs Pallas Athene, Apollon und Zeus Fremdlinge in Troia waren: To hatte das Land, die fremden Götter kamen, entweder gar keine Götter (denn die Flufsgötter kommen nicht in Betracht), oder die einheimifchen wurden durch die fremden verdrängt. Erftes ist nicht gedenkbar, Letztes ohne Beweis nicht anzunehmen. Pallas Athene zwar ift nicht troifche Stammgöttin: fie kann erft während des Krieges in Ilios Verehrung gefunden haben, eben weil fie dem Lande fich furchtbar zu machen wufste. Den Apollon würde Rec. für einen eingebornen troischen Gott halten, führte er nicht den Beynamen Lykegenes, weilte er nicht eben fo gern in Lykien als in Troia, und liefse fich nicht leicht erklären, wie er schon in frühen Zeiten aus Lykien nach Troia gekommen fey. Aber wie Apollon Smintheus aus Pytho oder Delos nach Troia gekommen feyn foll, ift nicht abzusehen. Vor dem Kriege läfst es fich gar nicht denken, und während des Krieges auch nicht, wegen feiner Vorliebe für Troia. Wer kann es in der Ordnung finden, dafs ein achäischer Gott feinem Volke abtrünnig geworden, fich zu den Feinden geschlagen, und jenes an den Rand des Verderbens gebracht habe? Áber Wahrfcheinlichkeit hat es, dafs Apollon von Pytho durch den troifchen Krieg mit dem Smintheus - Lykegenes in Eine Perfon verschmolz. Ueberhaupt fürchtet Rec., dafs der verehrungswürdige Vf. den Charakter des troifchen Apollon, der ihm halb aus Delos, halb aus Lykien ftammt, nicht

ganz richtig aufgefafst habe. Er fagt S. 172:,,Apollon der Delier begnügt fich dort (in Troia), ein befuchender Galt, Heil und Unheil zu verwalten, er fendet und vertreibt, jetzo Peft, dann Feldmäufe, wie der rauhere in Lykia geborene Apollon den Raubwölfen gebeut." Dafs Apollon irgendwo in Troia Unheil verwalte, möchte fich nicht nachweifen laffen;' felbft nicht durch die Peft, denn diefe ift nur als gerechies Strafgericht zu betrachten, und wird fogleich gehemmt, als Agamemnon und die Achäer das begangene Unrecht wieder gut machen. Dafs Apollon Maule vertreibe, ift gewifs nicht homerifcher Glaube. Von den in Troia landenden Kretern, die in der Nacht von Feldmäufen geplagt wurden, meldet wohl Keiner vor Kallinos: und des Skopas Apollon zu Chryfe, zu deffen Füssen eine Maus angebracht war, ift wohl auch nicht Beweiles genug. Der Beyname Smintheus kommt nach Ariftarch von der troifchen Stadt Sminthe, nicht von den Feldmäufen, wie Apion will. Woher ferner der Vf. die Rauheit und die Wölfe Apollons genommen hat, gefteht Rec. nicht zu begreifen. Wölfe gefellte erft die fpätere Zeit dem Apollon, indem man den fpäteren Beynamen Lykeios von den Wölfen, wie Smintheus von den Mäufen, klügelnd ableitete; und statt der Rauheit findet man in den homerifchen Gedichten überall nur Milde, Edelmuth und Erhabenheit, felten ftrafende Gerechtigkeit am Apollon. Der Schutz, den der Gott durchgängig dem bedrängten Volke der Troer, und namentlich dem Hektor, sowohl dem lebenden, als dem todten, angedeihen läfst; Apollons Benehmen in der Götterfchlacht, fein Verhalten gegen den undankbaren Laomedon, im Vergleich mit dem des Poseidon, der den Troern ein Seeungeheuer zufchickt, und ihre Stadt zu vertilgen entbrannt ift; die Art, wie er dem verwüftenden Achilleus entgegentritt, um die Ueberrefte des troifchen Volkes zu retten, u. f. w. Alles diefes fcheint nicht Rauheit des Charakters zu verrathen. Vergleicht man hiemit die Rachfucht einer Here, die Hinterlift einer Athene, und felbft die frühere Rohheit des olympifchen Zeus: fo wird man geneigt, den Apollon .für eine der edelften Gestalten des Götterkreifes anzufehen. Den idäifchen Zeus hält Rec. für den eigentlichen troifchen Stammgott. Denn erftlich läfst fich nicht hiftorisch nachweifen, oder auch nur wahrscheinlich machen, wie der olympifche Zeus auf den Ida verpflanzt worden fey. Wäre diefs durch die Thraker oder Phryger gefchehen: wir träfen den Zeus als Stammgott auch bey diefen Völkern an. phrygifcher Gott erfcheint Zeus aber erft in späterer Zeit, indem er mit Kronos und Dionyfos zur männlichen Dreyeinigkeit verknüpft wurde. Warum wollen

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Als

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wir überhaupt, wo fich ähnliche Gottheiten finden, fofort zu Verpflanzungen unfere Zuflucht nehmen, und zwar ohne Noth? Das Idagebirge mit feinen grofsartigen Naturerscheinungen konnte eben fo gut, als der Olympos, zu der Vorftellung eines hochdonnernden Blitzfchleuderers Anlafs geben; und der troische Krieg verknüpfte fodann den idaeifchen Zeus mit dem olympifchen. Es liefse fich noch manches Andere für Zeus troische Abkunft anführen, z. B. feine Vorliebe für Troia; aber das Vorgebrachte scheint zu genügen.

Gelang es, die Troer gegen Barbarey in Schutz zu nehmen: To wird es leicht feyn, ihre griechische Abkunft nachzuweifen. Die traifche Sprache ist ein griechischer Dialekt, und zeugt für griechische Abftammung des Volkes: denn dafs ein barbarifches Volk griechifch redete, ift ein Widerspruch. Griechifch find die Sitten in Troia, und da fie nicht aus früherem Verkehr erklärt werden können, fo beweifen fie eben das, was die Sprache beweilt. Griechisch find die troischen Götter, fowohl angeftammte, als frühzeitig aufgenommene: Zeus, Apollon, Ares, Aphrodite u. f. w. Am meisten aber beweift für griechifche Verwandtschaft die Cultur der Troer. Denn nicht blofs Wohlhabigkeit herrscht in Troia, fondern wir treffen dafelbft fchon auf eine nicht unbedeutende Stufe geiltiger Entwickelung und feinerer Bildung. Ja es ift gar nicht schwer zu begreifen, dafs in diefer Hinficht die Achäer von den Troern übertroffen wurden. Nicht ein Achäer, fondern ein Troer spricht folgende Worte:

Aber wofern du wirklich in völligem Ernfte geredet, Traun dann raubeten dir die Unfterblichen felbft die Befinnung:

Der du befiehlt, zu vergeffen des Donnerers Zeus Kronion
Rathfchlufs, welchen er felbft mir zugewinkt und gelobet.
Du hingegen ermahnft, den weitgeflügelten Vögeln
Mehr zu vertraun. Ich achte fie nicht, noch kümmert,

mich folches,

Ob fie rechts hinfliegen, zum Tagesglanz und der Sonne, Oder auch links dorthin, zum nächtlichen Dunkel gewendet. Wir vertrauen auf Zeus, des hocherhabenen, Rathfchlufs, Der die Sterblichen all' und die ewigen Götter beherrschet! Ein Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten!

Was ist schöner und rührender, als die Scene zwifchen Hektor und Andromache? die Bitten des Priamos und der Hekabe an Hektor, den verderblichen Kampf mit Achilleus nicht zu bestehen? die Klagen der Aeltern und der Gattin um den gefallenen Sohn und Gemahl? Was ift erhabener, als die Aufopferung Hektors zur Rettung des Vaterlandes, und zur Abbüfsung einer verzeihlichen Uebereilung? Warum finden wir nicht Aehnliches unter den Achäern, weder in der Ilias noch in der Odyffee? Warum vielmehr unter ihnen so manche Beweile von Rohheit und Ausfchweifung? Man weife einen Hektor, eine Andromache unter den Achäern nach. Verdient felbft die finnige Penelopeia der Andromache gleichgeschätzt zu werden? Paris übertraf den Menelaos an Tapferkeit keinesweges, aber wohl an Schönheit und Anmuth. Wenn die Troer die Auslieferung der Helena verweigern fo ift ihr Schönheitsgefühl die Urfache dar

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alle Zauberreize versammelt; find, wodurch felbft der Weife bethört wird, hält es nicht mit den rauhen Achäern, aber wohl mit den feinen Troern. Sie, das Ideal der Schönheit, empfand für einen Troer fo zärt-lich, dafs fie fich ihm in Liebe hingab: was unmöglich gewesen, wenn Anchises ein Barbar war. Kaum hätte Tithonos, wäre er ein Barbar gewesen, so verführerisch für die Eos feyn können, dafs diefe ihn zu ihrem Gemahl erkor. Nicht glaublich findet es Rec., dafs der reizende Ganymedes, der wegen feiner Schönheit in den Kreis der Götter erhoben wurde, ein Barbar gewefen fey. Und wer findet es gedenkbar, dafs die mächtigsten Göttinnen, Here, Athene und Aphrodite, als fie über ihre Reize in Zwift gerathen waren, einen Barbaren zum Schiedsrichter erwählt haben?

Weil nun Rec. nicht glauben kann, Homer habe Barbaren mit höherem Reiz gefchmückt als Griechen: fo kann er fich die Troer nicht anders, als einen griechifchen Volksftamm denken. Ift diefe Schlufsfolge richtig: fo wird man den Troern nicht länger Poefie, Mufik, und den Reigentanz abfprechen, zumal ihr Stammgott Apollon Gott der Poefie ift, und fich im Homer auch bestimmte Angaben troifchen Gefanges fowie der Mufik und des Reigentanzes finden: Il. XXIV, 720: παρὰ δ ̓ εἶσαν ἀοιδούς, θρήνων ἐξάρχους, οἶτε στο νόεσσαν ἀοιδὴν οἱ μὲν ἄρ' ἐθρήνεον, ἐπὶ δὲ στενάχοντα yuvaixes. Mag der hier erwähnte Gesang immerhin kein epifcher, fondern ein Trauergefang gewefen feyn, was berechtigt uns zu der Annahme, die troifchen Aoiden hätten wohl Trauerlieder, aber keine epifchen Lieder dichten können, da zu jenen, wie zu diefen, dichterische Begeisterung erfodert wurde? Leicht auch läfst fich erklären, warum kein epischer Dichter in Troia erwähnt wird. Nur bey Feftlichkeiten unter friedlichen Ithaka, Sparta und Scheria. Unter den kriegführenden Verhältniffen werden epifche Dichter aufgeführt in Achäern vor, Ilios dagegen wird keines Sängers erwähnt, obwohl mehrere Schmäufe, die Agamemnon den Fürften giebt, ausführlich geschildert werden. Sehr erklärlich, weil der epifche Dichter fich wohl für einen Zustand der Ruhe und des Genuffes, aber nicht des Krieges und der Anstrengung pafst. Dem widerspricht nicht der dem Apollon gelungene Päan, denn der war kein epifches Gedicht, auch widerspricht nicht Achilleus. Letzterer fingt nur, als er dem Kriege entfagt hat, und in einem Zustande unkriegerifcher Ruhe fich befindet. Vorher und nachher hören wir ihn nicht fingen. uns nun Homer Troia nicht in Ruhe und Frieden, fondern in einem aufgeregten, kriegerischen, fehr bedenklichen Zustande schildert: fo mufsten wohl in einem folchen Zeitpunct die Künste des Friedens aufhören. Auch wird uns nirgends eine troische Luftbarkeit geschildert, bey der ein epifcher Dichter zu produciren gewefen wäre. Ferner, wenn Hektor zum Paris sagt (II. III, 54) οὐκ ἄν τοι χραίσμη κίθαρις, leuchtet da nicht aus diofen Worten deutlich genug hervor, dass Musik unter den Troern blühete? und da Mufik und Poesie damals unzertrennlich verbunden waren, beweift diese Stelle nicht auch für troische Poefie? und zwar für epische Poefie, denn nur epische Lieder wurden zur Kitharis

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gefungen. Ueber den Reigentanz endlich vergl. II. III, 393. 394. Daher wir wohl werden fagen können, der Dichter hatte nicht Anlass, des epifchen Gefanges unter den Troern zu erwähnen, aber er gab Andeutungen, aus denen feine Existenz hinlänglich evident wird, und die Gelegenheit, ihn ausdrücklich anzuführen, vom Zaun zu brechen, hielt er für unnöthig, da er nicht ahnete, man werde einem Volke, das ein griechifches fey, den Mufengott zum Nationalgott habe, höher gebildet erfcheine, als die Achäer, und dessen Dichter, Mufik und Festreigen ausdrücklich genannt werden, Poefie abfprechen wollen. Das Köftlichfte der Lebensgüter hätten die feineren Troer entbehrt, und die ungebildeteren Achäer allein befeffen? Die Stelle endlich, die der Vf. als Beweis für die Nichtexistenz der Poefie unter den Troern anführt (II. X, 12), fcheint nichts zu beweifen. In einem Feldlager nach einer heifsen Schlacht, den noch nicht bezwungenen Feind in der Nähe, wer wird da Künfte des Friedens, der Ruhe und der Festlichkeit fuchen? Aufregende Kriegsmulik, die ermatteten Krieger zu begeistern, ist wohl an ihrer Stelle, aber ein friedlicher Sänger, ein epifcher Dichter in einem Bivouak?

Aus diefen Gründen glaubt Rec. zwar allerdings an keinen phrygifchen Homer, aber ein troifcher ift wahrscheinlich gemacht worden, durch Beweife, die noch nicht widerlegt find. Denn was neulich von einem peloponnefifchen Homer verlautete, ift ein entflogener Gedanke der lieben Unfchuld, die fich an den Früchten des Erkenntnifsbaumes noch nicht vergriffen hat.

Abweichender Anficht ift Rec. ferner in der Ableitung der olympischen Götter. Sie fcheinen ihm nicht aus Thrakien gekommen zu feyn, zumal man das älteste Thrakien wohl fchwerlich bis nach Theffalien ausdehnen kann. Der olympische Zeus ift ein thessalischer Gott, der idäische gehört nach Troia, Athene nach Attika und Böotien, Poseidon nach Aegä, Helike und Oncheftos, Here ift Stammgöttin der peloponnefifchen Achäer, Hermes herrscht in Arkadien, Hephäftos in Lemnos, Demeter in Phylake (und Pyrafos, Apollon in Pytho und Troia, wozu Lykien gehört, Artemis und Leto find ebenfalls lykifch- troifche Gottheiten, Aphrodite stammt aus Kypros und Kythere. So blieben für Thrakien nur Ares und fein Sohn der Schrecken, nebft Dionyfos übrig. Gründet fich diese Anordnung nicht auf homerische d. h. ältefte Mythologie: fo wird dem Rec. jede Zurechtweifung angenehm feyn.

Nach diefer Abschweifung kehrt Rec. zu dem Hauptthema zurück. Der verehrungswürdige Vf. zeigt hierauf, wie die Idee eines einigen Gottes von den Israeliten angeregt, und über Thapfakos in Vorderafien allmählich verbreitet wurde. Bemerkenswerth ift es hiebey, dafs die drey Namen des israelitischen Gottes: Jehova, Sabaoth, Adonai, ohne wesentliche Veränderung in andere Länder verpflanzt wurden. In Phrygien erkennt man im Sabos oder Sabazios, in Phoenike im Adonis den eingedrungenen israelitischen Gott, und in beiden Ländern führt er den Geheimnamen Jao, oder wie der griechische Bakchos die andere Form Jakchos. Während aber philosophische Denker durch die Vorftellung eines einigen Gottes gehoben wurden zu dem Begriff ei

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nes Weltengottes, und im Fortfchritt vernunftgemässer Entwickelung immer höher ftiegen in der reinen Erkenntnifs des göttlichen Wefens und menfchlicher Beftimmung, trachteten die Priefter der Vielgötterey fich des jüngst errungenen Lichtes der Vernunft für ihre Zwecke zu bemächtigen,,,fie fafsten den Entschluss, ihre Volksgottheiten in feyerlichen Geheimniffen für Kräfte des Einen Naturgottes zu erklären." So entstand zuerst in Phrygien die mystische Dreyeinigkeit, sowohl männlich als weiblich gedacht: Kronos, Zeus, Dionyfos und Rhea, Demeter, Perfephone. Diese Mysterien, welche bald mit den unfaubersten Gebräuchen befleckt wurden, fchlichen fich feit Ol. 20 in Griechenland ein, und wurden mit ägyptifchen Zufätzen bereichert.

S. 203 beginnt die Unterfuchung über die Fortdauer der Seele. Sie ist durchgängig aus den Quellen gefchöpft, und mit ungemeinem Scharffinn durchgeführt. In den älteften Zeiten bis nach Hefiod dachte man fich den Todtenbezirk nichts weniger als einladend. Das ältefte Erebos ist ein dumpfer, modriger Ort, in dem Gute wie Böfe, Hohe wie Niedrige, ohne irgend eine Vergeltung, ohne irgend einen Unterfchied, träumend in düfterer Finfternifs, ihr Daseyn hinbringen. Zeitliche Güter und langes Leben galten für Gunft der Götter, und Belohnung eines gerechten Wandels, Elend und frühzeitiger Tod galten für Strafe begangener Miffethaten. Belohnung wie Strafe empfing der Mensch fchon in diesem Leben. Anders gestaltete fich diefs, als Mysterien den alten Glauben umbildeten, und freye Selbstdenker zu vernunftgemässeren Vorstellungen fich erhoben. Der Hades erhielt zwey Abtheilungen. Bestimmt wurden für die Frommen die Freuden Elyfions, für die Ruchlofen die Schrecken des Tartaros. Aber freylich wur den die Begriffe von Frömmigkeit und Ruchlofigkeit von den Myftikern und Philofophen sehr verschieden ausgebildet. Die Priester verstanden unter den Frommen die Anhänger der Tempellehren, die eifrigen Verehrer des geiftlichen Ceremoniells, die reichlichen Spender anfehnlicher Gaben. Dergleichen Leuten waren die Freuden des Elyfions gewifs, gleichviel, ob fie übrigens in fittlichem Betracht hoch oder niedrig ftanden. Aber wer fich der priesterlichen Lenkung und Leitung entzog, mochte er fonft der rechtschaffenfte Bürger, der treufte Freund, der edelfte Menfch feyn, dennoch vermochte ihn nichts vor dem Schlamme des Tartaros zu erretten. Die Philofophen, und unter diefen vorzüglich die Sokratiker, lehrten dagegen, nur Reinheit der Sitten, Herzensgüte und Gehorsam gegen die innere Stimme der Vernunft führe den Menfchen nach dem Tode zur Gottähnlichkeit; Vernachläffigung des Vernunftgebotes überliefere ihn unfehlbar dem Verderben, wie oft er auch durch aufserliche Frömmigkeit, durch genaue Befolgung der priesterlichen Vorfchriften fich zu reinigen verfucht habe. Und wie in Bezeichnung des Weges, der zur Glückfeligkeit führe, Priester und Philofophen von einander fehr abwichen, ebenfo verfchiedener Anficht waren fie über die Befchaffenheit der ewigen Freuden felbft. Die Sokratiker hofften auf eine geistige Verklärung, auf höheren Seelenadel, auf Gottähnlichkeit; die Priefter lockten die gläubige Menge durch Vorspie

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