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die aus äusserlichen vagen Beziehungen entlehnten Gründe sind, welchen zufolge Malone das Drama in das Jahr 1596, und Chalmers in das Jahr 1598 selbst setzt, so wird dasselbe doch nach allen innern Merkmalen des Styls und Verses nicht lange vor 1596 zu setzen sein, und jedenfalls. der mittlern Periode in Shakspere's dramatischer Laufbahn angehören. So mag King John nach der Zeit seiner Abfassung unter den Histories des Dichters in der Mitte stehen zwischen dem theilweise umgearbeiteten Cyklus der vier Dramen King Henry VI. King Richard III. und dem ebenfalls in vier Dramen zerfallenden Cyklus King Richard II. —King Henry IV. - King Henry V., doch so, dass unser Schauspiel in allen wesentlichen Kennzeichen der Shakspere'schen Kunstentwicklung dem spätern Cyklus näher steht und verwandter ist, als dem früheren.

Dem Shakspere'schen King John liegt ein älteres Drama desselben Inhalts zu Grunde, das im Jahre 1591 ohne Namen des Verfassers erschien, betitelt: The first and second part of the troublesome Raigne of John King of England. With the Discovery of King Richard Cordelion's base Sonne (Vulgarly named the Bastard Fauconbridge). Also the Death of King John at Swinstead Abbey. As it was (sundry times) publikely acted by the Queenes Majesties Players in the honourable Cittie of London. - Bei der genauen, durch alle Akte und Scenen hindurch gehenden Bezugnahme, mit welcher Shakspere dieses ältere Drama benutzt hat, wird es, um die Uebereinstimmung in der Anlage beider Werke hervorzuheben, genügen, auf die einzelnen Abweichungen aufmerksam zu machen, zu welchen Shakspere in der äusserlichen Construction seines Schauspiels sich veranlasst fühlte. Da der ältere King John, abgesehen von der Eintheilung in zwei gesonderte Dramen, weder Akte noch Scenen notirt, so ist es rathsam, zur Orientirung des Lesers nach der von den Herausgebern beliebten Eintheilung des Shakspere'schen Drama's anzugeben, was aus jenem älteren Buche in dem Gange der Handlung und in der scenischen Darstellung des Stoffes von unserm Dichter etwa nicht beibehalten, sondern entsprechend geändert ist.

Dem ersten Theil des alten King John ist folgende Widmung: To the Gentlemen Readers vorangesetzt:

You that with friendly grace of smoothed brow
Have entertain'd the Scythian Tamburlaine,
And given applause unto an infidel;
Vouchsafe to welcome with like curtesie,

A warlike Christian, and your countryman.

For Christ's true faith indur'd he many a storme
And set himselfe against the man of Rome

Until base treason by a damned wight
Did all his former triumphs put to flight,
Accept of it, sweet gentles, in good sort,
And thinke it was prepar'd for your disport.

A. 1, Sc. 1. Im alten King John beginnt die erste Scene mit der Thronbesteigung des Königs, auf die unmittelbar die Botschaft Chatillons folgt. Mit den beiden Brüdern Faulconbridge tritt zugleich deren Mutter auf, die mithin bei den Verhandlungen über die Unächtheit des einen Sohns zugegen ist. Den Schluss des Akts bildet das Zwiegespräch zwischen Philipp und seiner Mutter.

A. 2, Sc. 1 u. 2 ganz wie bei Shakspere, nur dass im alten King John vor dem Auftreten der Herolde der Bastard auf der Bühne den Herzog von Oesterreich im Kampfe verfolgt, ihm die Löwenhaut abjagt und dann einen bombastischen Monolog hält. Mit den Königen und ihrem Gefolge treten auch Constanze und Arthur auf, die im alten King John also Zeugen der Verlobung des Dauphins mit Lady Blanca werden. Ein Monolog des Bastards zum Schlusse dieses Akts fehlt im alten King John, ebenso wie dessen vorhergehender Monolog zum Schlusse des ersten Akts.

A. 3, Sc. 1. Constanze und Arthur bleiben nach dem Weggange der Uebrigen auf der Bühne. Den Verwünschungen und Klagen, welche Erstere bei Shakspere gegen Salisbury und die Könige äussert, macht sie im alten King John nur im Gespräch mit ihrem Sohne Luft. Die Könige und ihr Gefolge treten erst nach dem Weggange Arthurs und seiner Mutter auf. Die Dazwischenkunft des Cardinals erfolgt wie bei Shakspere. - Sc. 2 u. 3. Der Bastard erlegt den Herzog von Oesterreich auf der Bühne; Eleonore wird auf der Bühne gefangen genommen und ebenso von ihrem Sohne befreit. Das Uebrige wie bei Shakspere. Sc. 4. Die Klagen der Constanze, sowie die politischen Verhandlungen zwischen dem Cardinal und dem Dauphin erscheinen im alten King John im Verhältniss zu der Weitschweifigkeit vieler andrer Partieen skizzenhaft und flüchtig behandelt. - Daran schliesst sich im alten King John eine Scene der frivolsten niedrigsten Komik, wo der nach England zurückgekehrte Bastard ein Mönchskloster und dann ein Nonnenkloster nach verborgenen Schätzen durchsucht und in jenem eine Nonne, in diesem einen Mönch, in einer Kiste versteckt, findet. Endlich tritt noch der Prophet Peter von Pomfret, begleitet von einem Volkshaufen, auf, und wird im Verlauf einer ziemlich plumpen Volksscene vom Bastard verhaftet.

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A. 4, Sc. 1 u. 2. Der Gang der Handlung ist wie bei Shakspere, nur dass im a. King John der König zuerst den Lords seine Absicht mittheilt, sich noch einmal krönen zu lassen, und dass dann diese Krönung auf der Bühne vor sich geht. Ebenso werden die Wundererscheinungen am Himmel, von denen bei Shakspere nur berichtet wird, hier sichtbar dem Publikum vorgeführt. Mit dem Auftrage des Königs an Hubert, den Lords zu sagen, dass Arthur noch lebe, schliesst der erste Theil des a. King John; und dem zweiten Theil, der mit Arthur's

Erscheinung auf der Mauer (A. 4, Sc. 3) beginnt, geht ein zweiter orientirender Prolog To the Gentlemen Readers voraus. — Der a. King John lässt die Lords, nachdem sie Arthur's Leichnam gefunden, nur mit Hubert, nicht mit dem Bastard, zusammentreffen und verhandeln, weshalb auch das Zwiegespräch zwischen den beiden Letzteren sich nur bei Shakspere findet.

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A. 5, Sc. 1. Der Scene zwischen dem König und dem Cardinal, geht im a. King John eine Scene zwischen dem König und Peter von Pomfret voraus, die damit schliesst, dass der König den Propheten aufhängen lässt. Der Bastard bringt gleich darauf die Nachricht von den letzten Augenblicken des Gehängten und wird von dem König an die abtrünnigen Lords abgesandt. Sc. 2. Die Zusammenkunft des Dauphin mit den Englischen Grossen, in Saint Edmund's Bury, führt der a. King John auf der Bühne in ihrem ganzen Verlaufe von Anfang an vor. Vor das Auftreten des Cardinals im Lager des Dauphin setzt der a. King John noch eine kurze, von Shakspere bereits mit Sc. 1 verschmolzene Zwischenscene, in welcher der Cardinal dem König Johann die Krone wiedergiebt.- Sc. 3. 4. 5. Melun spielt im a. King John dieselbe Rolle wie bei Shakspere. - Vor Sc. 5 bei Shakspere hat der a. King John den heuchlerisch freundlichen Empfang des kranken Königs von Seiten der Mönche in Swinstead Abbey. Ein Mönch beschliesst, den König zu vergiften und erhält in einem Zwiegespräch mit dem Abt, der den Anschlag billigt, im Voraus die Absolution für seine That. - Sc. 6 fehlt im a. King John. Dafür geht das Mahl des Königs und dessen Vergiftung im Klostergarten auf der Bühne vor sich. Der Mönch stirbt unmittelbar auf den Trunk, und der Bastard ersticht den Abt; Beides vor den Augen des Zuschauers. Auf den Tod des Königs, der mit der Zerstörung von Swinstead Abbey gerächt werden soll, folgt noch eine Scene der Unterhandlung zwischen dem jungen König Heinrich und dem Dauphin. Letzterer erklärt sich zum Frieden und zum Abzug nach Frankreich geneigt, und Ersterem wird die Krone aufgesetzt.

Die aus obiger Analyse sich deutlich ergebende stoffliche Aehnlichkeit beider Dramen veranlasste im Jahre 1611 einen andern Verleger, in Ermangelung des Shakspere'schen King John, dessen er nicht habhaft werden konnte, das ältere Schauspiel von neuem drucken zu lassen und mit der Angabe auf dem Titelblatt Written by W. Sh. auf Shakspere als den Verfasser hinzuweisen; ohne Zweifel, um das Publikum glauben zu machen, es erhalte in diesem verschollenen Drama Shakspere's bekanntes Werk. Ein dritter, nach dem Tode unsres Dichters, aber vor der Veröffentlichung seines King John in der Folioausgabe, erschienener Abdruck des ältern Drama's, im Jahre 1622, machte dann geradezu in derselben betrügerischen Absicht W. Shakespeare auf dem Titelblatte

als Autor namhaft. Auch später hat es nicht an einzelnen englischen wie deutschen Kritikern gefehlt, welche den älteren King John für eine Jugendarbeit unseres Dichters gelten lassen wollten, oder ihm doch eine Betheiligung daran im Verein mit andern Dichtern zuzuschreiben geneigt waren. Sowohl um das Unhaltbare dieser Meinung nachzuweisen, als auch um an einer Probe zu zeigen, wie Shakspere das Werk seines anonymen Vorgängers benutzt hat, mögen ein Paar Scenen aus dem alten King John, der nach der Bezugnahme auf Marlowe's Tamburlaine im Prolog um das Jahr 1590 gespielt sein muss, hier ihren Platz finden. Das erste, hier citirte Stück entspricht der zweiten Hälfte des ersten Akts bei Shakspere.

Enter the Shriue and whispers the Earle

of Salisbury in the eare.

self, and the bad dealing of my brother in this princely assemblie.

Robert. Then, by my Prince his leaue, shall Robert speake,

Sals. Please it your Maiesty, here is the Shrive of Northamptonshire with certaine per- And tell your Maiestie what right I haue sons that of late committed a riot, and haue To offer wrong, as he accounteth wrong. appeald to your Maiestie, beseeching your My father (not vnknowne vnto your Grace) Highnesse for speciall cause to heare them. Receiu'd his spurres of Knighthood in the Field, At kingly Richard hands in Palestine, Whenas the walls of Acon gaue him way: His name sir Robert Fauconbridge of Mount

K. John.

Will them come neere, and while
wee heare the cause,

Goe Salisbury and make prouision,
We meane with speed to passe the Sea to

Fraunce.

bery.

What by succession from his Ancestors,

Say Shriue, what are these men, what haue And warlike seruice vnder Englands Armes,

they done?

His liuing did amount to at his death Or whereto tends the course of this appeale? Two thousand markes reuenew euery yeare: Shriue. Please it your Maiestie, these two And this (my Lord) I challenge for my right, brethren vnnaturally falling at odds about As lawfull heire to Robert Fauconbridge. their fathers liuing, haue broken your highnesse Phil. If first-borne sonne be heire indubitate peace, in seeking to right their owne wrongs By certaine right of Englands auntient Lawe, without course of Lawe, or order of Justice; How should my selfe make any other doubt, and unlawfully assembled themselves in muti-But I am heire to Robert Fauconbridge? nous maner, having committed a riot, appea- K. John. Fond youth, to trouble these our ling from triall in their country to your Highprincely eares, ness: and here I Thomas Nidigate Shriue Or make a question in so plaine a case: of Northamptonshire do deliver them ouer to Speake, is this man thine elder brother borne? their triall. Robert. Please it your Grace with patience for to heare?

K. John. My Lord of Essex, will thof

fenders to stand forth, and tell the cause of I not deny but he mine elder is, their quarrell.

Essex. Gentlemen, it is the Kings pleasure that you discouer your griefs, and doubt not but you shal haue iustice.

Mine elder brother too: yet in such sort,
As he can make no title to the land.

K. John. A doubtfull tale as euer I did heare,
Thy brother, and thine elder, and no heire:
Explaine this darke Ænigma.

Robert. I grant (my Lord) he is my mothers sonne,

Phil. Please it your Maiesty the wrong is mine yet will 1 abide all wrongs, before I once open my mouth t'vnrip the shamefull slander of my parents, the dishonor of my | Base borne, and base begot, no Fauconbridge.

Indeede the world reputes him lawful heire,
My father in his life did count him so,
And here my mother stands to proue him so:
But I (my Lord) can proue, and doe auerre
Both to my mothers shame, and his reproach,
He is no heire, nor yet legitimate.

Then (gratious Lord) let Fauconbridge enjoy
The living that belongs to Fauconbridge.
And let not him possesse anothers right.

First, when my Father was Embassador
In Germanie vnto the Emperour,
The King lay often at my fathers house;
And all the realme suspected what befell:
And at my fathers back-returne agen
My mother was deliuered, as tis sed,
Sixe weeks before the account my father made.
But more than this: looke but on Philips face,
His features, actions, and his lineaments,

K. John. Proue this, the land is thine by And all this princely presence shall confesse,
He is no other but King Richards sonne.

Englands lawe.

Qu. Elian. Vngratious youth, to rip thy Then gratious Lord, rest he King Richards

mothers shame,

The wombe from whence thou didst thy being take,
All honest eares abhorre thy wickednesse,
But Gold I see doth beate downe Natures lawe.
Mother. My gratious Lord, and you thrice
reuerend Dame,

sonne,

And let me rest safe in my Fathers right,
That am his rightfull sonne and only heire.
K. John. Is this thy proofe, and all thou
hast to say?

Robert. I haue no more, nor neede I
greater proofe.

K. John. First, where thou saidst in absence of thy Sire

That see the teares distilling from mine eies,
And scalding sighes blowne from a rented heart:
For honour and regard of womanhood,
Let me intreate to be commaunded hence.
Let not these eares heere receive the hissing sound
Of such a viper, who with poysoned words
Doth masserate the bowels of my soule.
K. John. Lady, stand up, be patient for This will not hold, proceede vnto the next.

awhile:

And fellow, say, whose bastard is thy brother?

My brother often lodged in his house:
And what of that? base groome to slaunder him,
That honoured his Embassador so much,
In absence of the man to cheere the wife?

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Philip. Not for my selfe, nor for my mo- Why good sir Squire, are you so cunning

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growen,

To make account of womens reckonings?
Spit in your hand and to your other proofes:
Many mischances happen in such affaires,
To make a woman come before her time.
K. John. And where thou saist, he looketh
like the King,

In action, feature and proportion:
Therein I hold with thee, for in my life
I neuer saw so liuely counterfet
Of Richard Cordelion, as in him.
Robert.

Then good my Lord, be you in-
diffrent Judge,

And let me have my liuing and my right.
Qu. Elian.
Nay, heare you sir, you
runne away too fast:

Know you not, Omne simile non est idem?
Or haue read in. Hark yee, good sir,
Twas thus I warrant, and no otherwise,
Shee lay with sir Robert your father, and

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